Bayerisch-türkische Wurzeln

 

af-su-turhan-by-lyn-turhanDer neue Kommissar Pascha (siehe auch Rezension) wurde von Su Turhan ins Leben gerufen. Der Autor und Regisseur wuchs als Kind türkischer Eltern in Deutschland auf und studierte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Seine Filme sind tendenziell Thriller, aber seit 04.01.2013 ist sein erster Krimi auf dem Markt. Zwischen April und September ist Turhan auf Lesereise und hat sich dazwischen für ein Interview Zeit genommen:

Horusauge: Anfang dieses Jahres erschien Dein erster Krimi mit dem Titel „Kommissar Pascha“. Wovon handelt er?
Su Turhan: Von einer Dönerqueen und einigen Morden, die um sie herum verübt werden … Im Mittelpunkt steht der bayerisch-türkische Kommissar Zeki Demirbilek. Er wird gegen seinen Willen Leiter des Sonderdezernats Migra. Eine kleine Spezialeinheit, die Fälle mit Migrationshintergrund aufklären soll. Das tut er auch. Aber eben a bissl bayerisch und oft sehr türkisch in seiner Art.

H.: Für Deine Filme schriebst Du die Drehbücher selbst. War die Arbeit für Deinen Erstlingsroman schwieriger?
S. T.: Ein klares, lautes Ja. Drehbücher entstehen mit einer völlig anderen Haltung. Das Romanschreiben verlangt … ja, was? Noch mehr Disziplin, noch mehr In-Sich-Hineinhorchen. Auch ein anderes Denken und Plotten und Handlung aufbauen und Dialoge anlegen und den Leser auf andere Art bei der Stange halten. Vieles ist anders. Weniges gleich.

H.: Warum hast Du Dich für eine Kriminalgeschichte entschieden und keinen Thriller (wie der Stoff zu Deinen Filmen) entwickelt?
S. T.: Zum einen, weil ich dem Krimigenre als Leser sehr verbunden bin. Dann hat mich gereizt, eine Geschichte rund um Figuren zu entwickeln, die in der Realität verhaftet sind, nicht ganz so abgehoben wie bei einem Thriller. Wobei ich schon sehr auf Thriller stehe, habe da auch eine Geschichte in der Mache mit dem Titel „Geschächtet“.

H.: Kommissar Zeki Demirbilek und das Sonderdezernat Migra ist eine neue Gestalt beziehungsweise Einrichtung im Sektor Mord. Wie bist Du auf diese Idee gekommen, und wie lange hat die Entwicklung der Geschichte gedauert?
S. T.: Die Idee kam mir in einem Hotelzimmer in Mumbai, wo ich mit meinem Kinofilm „Ayla“ auf einem internationalen Festival eingeladen war. Ich wollte eine Basis für mehrere Geschichten haben. Ein Grundgerüst. Da schien der Gedanke, ein Sonderdezernat zu erfinden, ganz passend. Dadurch habe ich die Möglichkeit, mit den kulturellen Unterschieden zu spielen, ohne dass es aufgesetzt wirkt, so meine Hoffnung. Das Romanexposé war relativ schnell geschrieben, das Skizzieren der gesamten Geschichte, mit allen Nebensträngen etc., hat etwa zwei Monate gedauert. Dann erst habe ich mit dem Schreiben angefangen.

H.: Hast Du Dich für die Markierung des Toten durch Reißnägel von einem realen Menschen, einem Buch oder Ähnlichem inspirieren lassen?
S. T.: Nein. So was entsteht im Kopf. Und ich habe es an mir selbst ausprobiert. Aber nur mit einem Reißnagel. Das tut eine Zeitlang angenehm weh. Dann wird es böse.

H.: Auf Deiner Homepage zeigst Du Deinen Arbeitsplatz. Wie dürfen wir uns das vorstellen: Schreibst Du nach einem Zeitplan oder unregelmäßig? Ziehst Du Dich völlig zurück, oder brauchst Du Hintergrundgeräusche, zum Beispiel Musik?
S. T.: Kommt auf die Schreibphase an. Wenn es darum geht, eine neue Geschichte zu entwickeln, lasse ich Chaos zu. Im Kopf und auf dem Schreibtisch. Beim Brainstorming gibt es keine Regeln. Da ist alles möglich. Da ist auch Musik erlaubt. Rammstein hören. Oder die alte Monarchie im Alltag von Fehlfarben rausholen. Suede kommen auch oft zum Einsatz. Ich habe ca. 42 Notizbücher. Da werden Ideen notiert, Skizzen gemacht, Figuren charakterisiert. Oft verliere ich den Überblick, was meine Notizen betrifft. Eine fröhliche und unbeschwerte Zeit für meine Synapsen. Wenn dann die Marschrichtung geklärt ist, wird es duster. Klares, strukturiertes Denken. Keine Musik. Ich plotte und schreibe im Dunkeln. Rauche und trinke Kaffee. Ab 22 Uhr auch Bier. Ehrlich sein zu sich und dem Text ist dann angesagt. Da läuft es sehr organisiert ab. Zwischen fünf und sieben Stunden am Tag. Oft Nachtschichten. Mit klarer Zielvorgabe für den Schreibtag. Schwere, beglückende Arbeit. Feste Zeiten. Ich stemple ein. Schreibe. Dann wird ausgestempelt. Überstunden sind erlaubt.

H.: Kennst Du Schreibblockaden? Was tust Du dagegen?
S. T.: Eigentlich nicht. Es hakt hie und da mal, das schon. Dann lasse ich den Text liegen und lenke mich ab, indem ich an etwas anderes schreibe.

H.: Hast Du neben der Regie und Deiner Arbeit für den Verlag noch Möglichkeiten, Deinen Hobbys (welchen?) nachzugehen, Dich Deiner Familie und Deinen Freunden zu widmen?
S. T.: Für meine Familie habe ich immer Zeit, weil ich versuche, einigermaßen regelmäßig zu arbeiten. Das steht in meinem Vertrag, den ich mit selbst ausgehandelt habe. Da meine Familie gut findet, was ich mache, hilft das schon mal. Freunde zu treffen ist schwierig, wenn ich schreibe. Da zieht es mich eben auch abends und nachts in die Schreibstube. Bei den Lesungen allerdings – vor allem danach – gibt es Zeit. Mein Hobby ist Boule-Spielen. Kommt zu kurz. Natürlich.

H.: Im „Kommissar Pascha“ wird bereits auf Deinen nächsten Krimi hingewiesen: „Bierleichen“. Wann wird das neue Buch erscheinen? Kannst Du uns schon Details verraten?
S. T.: Verraten kann ich, dass es nicht auf dem Oktoberfest spielt. Es geht um eine Privatbrauerei, die allen Ernstes von der Au nach Istanbul demontiert werden soll. Na ja. Mit einem Mord ist es da nicht getan. Erscheinungstermin ist Anfang Januar 2014.

H.: Wird das Team um den türkischstämmigen Demirbilek gleich bleiben beziehungsweise bekommen die einzelnen Figuren mehr Raum und Format, unter anderem durch ausführlichere Hintergrundgeschichten?
S. T.: Das Team bleibt gleich. Gibt ja noch viel zu erzählen über Pius Leipold und Zeki Demirbilek und die beiden Frauen im Team. Die privaten Hintergründe sind mir wichtig, deshalb erfährt der Leser einiges über die Figuren. Gleichzeitig soll aber der Krimi im Vordergrund bleiben. Letztlich geht es mir um eine spannende Geschichte. Dazu gehören aus meiner Sicht immer beide Welten. Die des Verbrechens und die der Nöte und Wünsche des Teams.

H.: Eventuell soll „Kommissar Pascha“ verfilmt werden. Kannst Du uns dazu mehr berichten?
S. T.: Die Stoffrechte sind zu meiner Freude vergeben. Alles Weitere wird man sehen. Ich hoffe natürlich sehr, dass „Kommissar Pascha“ verfilmt wird. Der Produzent ist sehr erfahren und hat eine Menge Filme realisiert. Dennoch … etwas abgewandelt, mit Karl Valentin gesprochen: Film ist schön, kostet aber viel Geld.

H.: Vielen Dank für das Interview, Su. Ich freue mich schon auf Deine Lesung in Oberschleißheim am 14.05.
S. T.: Ich danke auch. Oberschleißheim … Pascha kommt! Stellt schon mal das Bier kalt, und Çay wäre auch nicht schlecht.

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1 Kommentar
  1. Horusauge
    Horusauge sagte:

    Su Turhan stellte am 14. Mai 2013 in der ersten Krimilesung in der Bücherei Oberschleißheim seinen Kommissar Pascha vor. Dies geschah in einer ausgesprochen sympathischen sowie herzerfrischenden Art und Weise. Unter anderem sind die Sequenzen, in denen Kommissar Demirbilek und sein Kollege Leipold aneinander geraten, vielversprechend, genauso wie der Aufbau der Geschichte um die drei Mordopfer und das um Demirbilek neu aufgebaute Sonderdezernat Migra. Seine von ihm entwickelten Ermittler liegen dem Autor sehr am Herzen. Ich kann nur hoffen, dass bei der angestrebten Verfilmung des Stoffes Su als Berater hinzugezogen wird, um eine möglichst identische Verwirklichung möglich zu machen. Zum Abschluss der Lesung konnten noch Fragen gestellt werden, was auch eifrig gemacht wurde und die neu erworbenen Bücher wurden individuell signiert.
    Ich kann Su als Vorleser nur empfehlen – sollte er sich in eurer Nähe ankündigen: HINGEHEN!

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