Black Metal auf dem Bauernhof

 

Navi: „Biegen Sie jetzt links ab!“
The Doc: „Was?! Nee, das ist die Einfahrt zu einem Bauernhof, da fahr ich jetzt nicht rein!“

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Fast zu viel Idylle: Der Ausblick vom Parkplatz

Ja, die Anfahrt zum Sick Midsummer Austria gestaltet sich für den Ortsunkundigen als Herausforderung: Auf der Karte ist irgendwann statt einer markierten Strecke ein breiter Strich, aus dem man gerade noch so ablesen kann, dass man es mit einer kleinen Serpentinenstraße zu tun hat, das Navi schlägt ganz komische Dinge vor, und die Landschaft ist für mich als Stadtkind beinahe ZU idyllisch. Die auf der Homepage angegebene Adresse ist, wie der kleine Zusatz verrät, fürs Eingeben ins Navi gedacht. Und hat man die erst einmal erreicht, nachdem man sich durch immer schmaler werdende Straßen einen Berg hochgearbeitet hat, ist erst mal von Festival keine Spur – dafür endet die Straße und geht in einen Feldweg über. Wir nahmen es sportlich und fuhren weiter. Nie waren vier Münchner so entzückt von dem Anblick dreier Menschen in Warnwesten wie an diesem wunderbaren Sommertag in Oberösterreich, die uns müde (und durstige) Reisende in Empfang nehmen, uns netterweise eine Mülltüte in die Hand drücken („Ach, ihr wollts ned zelten? Na, dann könnts euch ja drin einwickeln!“) und uns einen Parkplatz zuweisen – so weit, so fein. Wir waren etwas früh dran – Zeit genug, das Bergpanorama außenherum zu betrachten, komplett mit Hirschen, Ponys, Katzen und generell allem, was das Herz so begehrt. Das Festivalgelände selbst, auf das die Besucher pünktlich um 14 Uhr gelassen wurden, ist klein, aber fein: Eine Scheune mit Essen, ein Zelt und eine Art Innenhof in einem Rohbau-Gebäude, das möglicherweise mal ein Berggasthof wird, wenn es groß ist, ein WC-Wagen (der bis zuletzt nicht verstopft und mit Kamillen-Klopapier bestückt war – etwas, das hierzulande nicht mal das Backstage schafft!), die Bühne und drei Bars – mehr braucht der Mensch nicht zum glücklich sein! Bei strahlendem Sonnenschein, diversen Grad im Schatten und endlich besagtem Bier in der Fresse konnte der Spaß um 15 Uhr auch beginnen!

Weiße Turnschuhe und Corpsepaint

Pünktlich eröffneten Interfectorem das Sick Midsummer Austria 2013, die uns mit Old School Death Metal beschallten. Das Quintett stammt aus Eferding, laut Wikipedia die drittälteste Stadt Österreichs, und wo Old School drauf steht, ist auch Old School drin, zumindest, was die Retro-Outfits der Herren betraf. Musikalisch war schwer zu sagen, ob die Mannen wirklich alle gleichzeitig dasselbe Lied spielten, Spaß gemacht hat’s aber trotzdem!

Band Nummer zwei des Tages war das Kärntener Quartett Sakrileg, das bösartigen Black Metal mit deutschen Texten und (oftmals) historischem Inhalt bietet. Stilecht in einer Mischung aus Corpsepaint und militärischem Tarnanstrich gaben die drei Herren und eine Dame etwas mehr als eine halbe Stunde ihre martialischen Songs zum Besten, unter denen sich, wie auf der Homepage zu hören, auch eine recht gelungene Coverversion von Eisregens „Meine tote russische Freundin“ befindet. Dabei hat man es hier keineswegs mit einer Handvoll Menschen zu tun, die versuchen, unendlich böse das zu tun, was die Kollegen in Norwegen bereits vor fünfzehn Jahren aufgegeben haben, sondern vielmehr mit druckvollen Midtempo-Songs, die ziemlich schnell zum Kopfnicken animieren und sich absolut hören lassen können, weil sie sehr eigenständig sind und nebenbei bemerkt auch einen hohen Wiedererkennungswert haben. Zugleich zeigten Musik und Auftritt ganz klar, dass Sakrileg alles, was sie sagen, singen und tun auch wirklich so meinen, eine Authentizität, die ich immer öfter gerade bei jungen Black-Metal-Acts vermisse. 2011 haben die Kärntener einen Vertrag mit dem Underground-Label Cursed Records abgeschlossen und im letzten Jahr darüber ihren Erstling Sakrileg veröffentlicht. Bei mir steht die Band jedenfalls auf der „Im Auge behalten!“-Liste, und ich bin gespannt auf das zweite Album.

Todesblei am Nachmittag

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Black Metal und Black Beauty: Vierbeinige Festivalbesucher. Achtung, Tierschützer: Die Ponys konnten sich weit genug vom Kampfgeschehen entfernen, sodass sie nicht geschädigt wurden!

Als Nächstes gehörte die Bühne wieder brachialem Todesblei: Catastrofear kommen aus Wien, kamen auf die Bühne, gingen in den Assault-Modus und walzten alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellte – großartig! Die fünf Burschen (hach, die österreichische Terminologie ist was Feines) spielen ziemlich trashigen Death Metal, der in etwa so erbarmungslos wie die heiß vom Himmel brennende Sonne auf die Besucher geradezu physisch einwirkte. Ich jedenfalls gab mir das Konzert aus sicherer Entfernung vom Fensterbrett aus (ja, da war wirklich ein Fensterbrett!) und habe jede Minute davon genossen. Wie sollte es auch anders sein bei Songtiteln wie „Wife with a Knife“? Das letzte Album der Wiener ist das 2011 in Eigenregie produzierte und auf den Markt geworfene Sick – da wäre es doch auch mal wieder an der Zeit für einen Nachschlag, oder, Jungs?

Die nächste Dreiviertelstunde gehörte den Jungs von Fallen Utopia, ebenfalls aus Österreich und ebenfalls bei Cursed Records. Die Mischung aus Death und Black Metal ist ziemlich gelungen und geht schnell in den Gehörgang – allerdings macht viel Metal auch ziemlich hungrig, deswegen hieß es für uns: Essen fassen! Untermalt von der zauberhaften Singstimme Daniel Haslauers saßen wir in der Sonne bei einem wunderbaren Chili con Carne, dem man in großen Töpfen über echtem Feuer beim Blubbern zuschauen konnte und das an die hungrigen Besucher zusammen mit zwei Scheiben Schwarzbrot für drei Euro fünfzig verkauft wurde. Alternativ gab’s ein Curry, meinen Mitstreitern zufolge nicht minder lecker und ebenso günstig – die Verpflegung war wirklich einmalig, und wer sich das Kuchenbüffet angeschaut hat, weiß, wie viel Liebe die Österreicher in ihr kleines, aber feines Festival gesteckt haben. Für uns stand jedenfalls jetzt schon fest: Wir kommen nächstes Jahr wieder!

Der fetzigste Moshpit Oberösterreichs

Weiter gings mit Varulv, wenn auch nicht mit den Norwegern, sondern der österreichischen Band gleichen Namens. Die braucht sich jedoch keineswegs hinter ihren Kollegen aus dem Norden verstecken, und als wir ausreichend gestärkt und mit kühlem Bier versorgt (das man an drei Bars für zwei Euro die Glasflasche bekam – ja, offenes Feuer und Glasflaschen, in Österreich traut man den Festivalbesucher offenbar noch zu, damit umgehen zu können!) wieder vor der Bühne standen, fegte Varulv über uns hinweg wie ein Blizzard: kalt, hart, schnell und düster. So muss das sein! Wer sich einen Eindruck davon verschaffen möchte, sollte den Youtube-Kanal der Band besuchen, hier gibt es zwei Live-Videos der Performance zu sehen. 2011 unterschrieben Varulv beim Underground-Label Naturmacht Productions und arbeiten hoffentlich schwer am zweiten Album – zumindest ich hoffe das, denn was die Mannen hier abgeliefert haben, war klasse!

Was dann kam, glich einer Naturgewalt: Mosfet enterten die Bühne und zettelten in dem Innenhof einen Moshpit an, der sich gewaschen hatte! (Böse Gerüchte, die behaupten, ich hätte etwas mit den Entwicklungen zu tun, möchte ich an dieser Stelle vehement zurückweisen!) Das Quintett aus Marchtrenk, Oberösterreich, spielt beinahe tanzbaren Death’n’Roll, eingängig, groovig, heavy und bestens geeignet, um mal so richtig auszurasten. Zudem hatten sie einen Typen in Karohemd und mit Wolfsmaske dabei, der auf und vor der Bühne herumsprang und Unfug machte, was auch dazu beitrug, dass sich der Innenhof in einen Hexenkessel verwandelte. Als die fröhliche Keilerei losging, waren die Sicherheitskräfte kurzfristig ein wenig verwirrt, das legte sich allerdings schnell wieder, und weiter ging die wilde Jagd, die alle Beteiligten sehr genossen haben. Mosfet teilen amtlich aus und machen keine Gefangenen, was von den alten und neuen Fans auch entsprechend beklatscht und bejubelt wurde. Sehr schön und weniger verlustreich, als man annehmen möchte!

Rock’n‘Grindcore

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Die Location (und Interfectorem)

Als Nächstes stand erstmals eine nicht-österreichische Band auf dem Plan: Die Italiener von Whiskey Ritual machen Black’n’Roll, was sich als grooviger Heavy Metal mit Kreischgesang entpuppte und ziemlich Laune machte. Dementsprechend durfte vor der Bühne auch getanzt werden, eine Option, die wir nicht ausübten, aber immerhin genossen wir das Zusehen und –hören bei einer weiteren Fresspause – man muss ja schließlich seine Reserven wieder auffüllen nach derart schweißtreibenden Aktivitäten wie einer längeren Prügelei!

Pünktlich zu GodHateCode waren wir allerdings wieder auf dem Kiesplatz vor der Bühne, um uns diese etwas verquere Mischung aus Death Metal und Grindcore und etwas, das ich gar nicht so recht zuordnen konnte, um die Ohren blasen zu lassen. Mir wurde das Ganze nach einer Weile eindeutig zu eintönig und geradezu langweilig-effizient performt, wenn die hyperschnellen Beats der Kapelle sich auch sehen beziehungsweise hören lassen können. Interessant ist die Zusammensetzung der Band, die sich teilweise aus Österreichern, teilweise aus Schweden und Spaniern rekrutiert. Eine Stunde Gedresche und seltsame Ansagen später war es dann endlich Zeit für die von mir sehnsüchtig erwarteten Setherial!

Zen-Drummer

Viertel vor elf – Zeit für eine Runde üblen schwedischen Black Metal der alten Schule! Zu meinem Glück haben mir noch ein paar Schweine- oder Schafsköpfe gefehlt, aber das sei ihnen verziehen, der Auftritt des Black-Metal-Urgesteins Setherial war auch so großartig genug! Die vier Herren aus dem Norden, Infaustus (Vocals), Kraath (Lead Guitars), Mysteriis (Bass) und Empyrion an den Drums, der unglaublich entspannt hinter seinem Drumkit hockte und den scheinbar nichts aus der Ruhe oder gar dem Takt bringen konnte, beglückten die Anwesenden mit absolut bösartigen Riffs, fiesem Gekreische und irrem Blastbeat – eine Beschreibung, die den Höllengewalten, die Setherial hier entfesselten, nur ansatzweise gerecht werden kann. Neben dem bereits erwähnten Über-Drummer sei das absolut kalte Organ Infaustus‘ hervorgehoben, dessen Stimme mir ausnehmend gut gefällt. Die Band besteht seit beinahe zwanzig Jahren, wenn auch nicht in derselben Besetzung, und kann es an Brutalität spielend mit jeder anderen Szenegröße aufnehmen. Im Gepäck hatten die Schweden die 2012er EP Firestorms, ein neues Album ist in Planung und auch bereits mehr als überfällig, beglückten sie mich zuletzt 2010 mit ihrem letzten Album Ekpyrosis. Setherial sind live eine Wucht, und mich haben sie komplett aus den Socken gehauen. Verglichen mit Marduk, die ich zuletzt auf dem SummerBreeze gesehen habe und vergleichsweise langweilig fand, konnten diese Schweden voll punkten und waren der absolute Höhepunkt des Festivals. Mit dieser Meinung stand ich auch nicht alleine da, und dementsprechend wurden die Herren nach dem Auftritt abgefeiert. Der straffe Zeitplan, der bis hierhin akkurat eingehalten wurde, ließ dann sogar nach kurzer Pause eine kleine Zugabe zu, in der alle Anwesenden noch einmal kräftig die Haare schüttelten.

Aber eine Band stand noch an: Nocturnal Depression enterten um Mitternacht als letzte Band des Festivals die Bühne. Ich konnte ja mit französischem Black Metal schon immer viel anfangen, mir gefällt der Stil einfach. Zwar hatte ich vorher nur sehr kurz in die Alben von Nocturnal Depression reingehört, aber allein die Tatsache, dass sie aus Frankreich kommen, ließ mich hoffen. Und ich wurde keineswegs enttäuscht: Uns erwartete musikalisch gesehen ein richtiges Schmankerl, das in meinen Augen den Tag auf dem Sick Midsummer Austria perfekt abrundete. Die Musik ist unglaublich atmosphärisch und eher im mittleren Tempobereich angesetzt. Dazu kommen die oftmals von Sänger Lord Lokhraed relativ schnell gesungenen Lyrics, die die düstere Musik akzentuieren und verhindern, dass das Gesamtpaket zu doomig wird. Live unterstützt wurden Lokhraed und musikalischer Mastermind Herr Suizid von Krahne am Bass und Morkhod an den Drums. Die Mischung zündete jedenfalls bei mir voll, der einsetzende leichte Nieselregen zum Ende des Konzerts hin schien ebenfalls wie bestellt dazu zu passen und fügte sich harmonisch ins düster-stimmungsvolle Gesamtbild ein. Der langsamere Sound brachte jedenfalls die von Setherial erhitzten Gemüter wieder runter und setzte einen großartigen Schlusspunkt unter einen Tag voller Black und Death Metal, der es wirklich in sich hatte.

 

Alles in allem bleibt mir nur ein Fazit: Großartig! Die Jungs und Mädels vom Sick Midsummer Austria haben hier wirklich alles richtig gemacht und können davon ausgehen, dass wir auch im nächsten Jahr wieder am Start sind. Ich für meinen Teil habe mir ja ohnehin fest vorgenommen, nur noch Festivals anzufahren, auf denen weniger als 1000 Leute sind, einfach weil es so viel witziger, entspannter, großartiger ist als auf Wacken oder dem Breeze, und jedem, der sich ebenfalls mit dem Gedanken trägt, dem Kommerz endgültig den Rücken zu kehren, der sei auf dieses kleine, aber feine Fest in Oberösterreich verwiesen – es lohnt sich!

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch:

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2 Kommentare
  1. Elisabeth
    Elisabeth sagte:

    echt super kritik! danke auch für die lobeshymnen rundherum!
    freu mich schon bald wieder von euch zu hören oder zu lesen 8-)

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