Nick Cave begeistert München

Das Zenith ist vollgestopft mit wartenden Fans, die ihre Getränke fleißig verschütten und nach vorne drängen. Man lauscht halbherzig der Vorgruppe, die aus einer Person besteht. Shilpa Ray. Ein bisschen fragt man sich, was diese Frau hier macht und wer um alles in der Welt gerade sie als Support für Nick Cave ausgesucht hat. Das erste Lied rauscht nichtssagend an meinen Ohren vorbei, beim zweiten bin ich gelangweilt, beim dritten werde ich bereits aggressiv. Was kann diese Sängerin eigentlich? Ein monotones, teilweise kakophonisches Harmoniumspiel – Ray steht recht reglos hinter dem Instrument, das sicherlich einiges abverlangt, aber immer nur die gleichen Töne und Melodien auszuspucken scheint – wabert als Begleitung durch die Halle und wird zu Beginn eher mit mitleidigem Beifall quittiert als mit Begeisterung. Die kommt im Grunde nur beim vorletzten Lied, einer Coverversion von Etta James‘ „I’d rather go blind“, auf – wobei die Coverversion um Welten hinter dem Original zurückliegt. Shilpa Ray hat aber eine recht gute Stimme, die einer Mischung aus Lana del Rey und Adele gleichkommt. Aus dieser könnte man noch etwas mehr machen, vielleicht ist der ein oder andere Misston auch dem Zenith und dem als schlecht verschrienen Sound geschuldet. Natürlich gibt es Applaus, als ihr Auftritt schließlich zu Ende ist – ohne jegliche Kommunikation mit dem Publikum, ein einfaches Runterspielen diverser Songs – und sie endlich mal ein leises Danke in die Menge haucht. Brauch ich nicht mehr, dankeschön. Shilpa Ray hat weder die Stimmung für Cave angeheizt noch mich dazu gebracht, mir mehr von ihr anzuhören.Der Umbau geht recht schnell, und die letzten Einstellungen und Checks für Cave sind rasch erledigt. Die Menge wartet auf den großen Meister, der gegen 21 Uhr gewohnt mit silbernem Hemd und schwarzem Jackett auf die Bühne rennt. Er wird jubelnd begrüßt und beginnt gleich mit den Songs des aktuellen Albums Push the Sky away. Die Menge tobt bereits jetzt, und Cave jagt über die Bühne. Mit teilweise etwas hilflosen Tanzschritten – das kann der Meister des Horror-Rocks nicht ganz so gut – begeistert er immer wieder an diesem Abend und nimmt die gesamte Bühne ein. Nach rechts, nach links, nach vorne springt er, dreht sich um die eigene Achse, kommt mal mit dem Mikroständer und dem Kabel in Konflikt, singt aber unbeirrt und mit brachialgewaltiger, tiefer Stimme weiter. Es ist ihm keine Erschöpfung anzumerken, als er bekannte Songs ein wenig anders spielt, ausgedehnter, mit mehr Power, ein paar Minuten länger, ein paar instrumentalen Schlenkern mehr. Das Zenith kocht und singt nur zu gerne einige der bekannten Stücke mit: „Red right Hand“, „We no who u r“, „Mermaids“, „Weeping Song“. Plötzlich aber wird es still, eine gewisse feierliche Ruhe breitet sich über das ausverkaufte Zenith, und Nick Cave schickt die Bad Seeds in eine wohlverdiente Pause. Er selbst nimmt Platz am Klavier und spielt das ruhige „Into my Arms“. Es fehlt nur das Kerzenmeer, sonst wäre es der perfekte romantische Augenblick. „God is in the House“ folgt, wird aber schon ein weniger schneller und intensiver, kündigt den Fortgang des Konzerts mit weiteren Krachern an. Und die Wartenden werden nicht enttäuscht „Stagger Lee“ brüllt aus den Boxen, und die Menge ist kaum mehr zu halten. Vor allem nicht, als Cave in der ersten Reihe herumtanzt, sich von zahlreichen Händen halten lässt, schreit, kämpft, leise und ruhig wird. Die Performance ist gut, reißt mit und spricht jeden in der Halle voll an. Die Mädels kreischen und kriegen sich kaum mehr ein, die Männer sind begeistert, wenngleich sie das etwas ruhiger zum Ausdruck bringen.

Faszinierend ist, dass Cave als eigentlicher Kopf der Gruppe diese gar nicht in dem Sinne anführt, dass er unbedingt im Vordergrund stehend das Sagen hat. Er achtet auf seine Musiker, die den Takt angeben, die sagen, wann es losgeht, was losgeht. Es ist ein sehr harmonisches Zusammenspiel der Bad Seeds zusammen mit dem Fronter.
Während des Konzerts verliert man jegliches Zeitgefühl und will gar nicht wahrhaben, dass bereits der letzte Song gespielt wird. Da fehlt doch noch was, die haben doch gerade erst angefangen!

Durch den tosenden Beifall des Publikums zurückgehalten, kommen sie alle noch einmal auf die Bühne, spielen noch die letzten Lieder des Abends und verabschieden sich nach einem großartigen Konzert endgültig von München.

Cave hat begeistert und volle Power gezeigt. Seine dunklen Songs haben auch live überzeugen können, die leicht anders gestalteten Versionen waren sehr ansprechend und vielleicht stellenweise sogar besser als die Studioaufnahmen. Eingefleischten Fans fehlten die beiden Hits schlechthin, „Henry Lee“ und „Where the wild Roses grow“, aber beides geht ohne weiblichen Part einfach nicht.

Fazit: Ein toller Abend mit dem Großmeister des mörderischen Horror – und einem leider enttäuschenden Support.

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch2:

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