Die technische Hungersnot

Eine Woche ohne Wi-Fi. Ob man das aushalten kann? Im ersten Augenblick schreit man ganz laut JA!, wenn man die Einladung zu dieser Challenge von Linksys erhält. Diese euphorische Zustimmung wird dann etwas leiser vorgetragen, wenn man sich vor Augen führt, auf was man sich da eingelassen hat – sprich: Am Mittwoch, dem 20. November 2013 wurde mir schlagartig klar, was das heißt. Zu Hause darf ich nicht einfach mal eben mein Laptop unter den Arm klemmen und ins Wohnzimmer gehen, um gemütlich auf der Couch ein paar Emails zu beantworten. Auch ist es nicht möglich, in der Küche während des Kochens nebenbei das Rezept zu studieren – als würde ich nach Rezept kochen …
Dummerweise betrifft es auch mein Smartphone, das auf Wi-Fi verzichten muss und recht tot bleibt dadurch. Auf was habe ich mich da nur eingelassen?
Der Selbstversuch in sieben Tagen.
 
Tag 1
Alles ist gut. Nach dem Aufstehen renne ich nicht schnell an den Rechner und rufe meine E-Mails ab. Das geht auch mal ohne, denke ich und bleibe länger beim Frühstück sitzen, vertieft in die Tageszeitung, die glücklicherweise noch aus Papier und Druckerschwärze ist.
Dumm ist nur, dass ich dabei die Zeit aus den Augen verliere und es plötzlich wahnsinnig eilig habe, loszukommen.
Im Auto aber denke ich, dass der Morgen ohne Wi-Fi total gut lief und dieses Gefühl hält an, schließlich bin ich 12 Stunden unterwegs und brauche keinen privaten Internetzugang.
Abends muss ich mir dann aber doch selbst auf die Finger klopfen, das WLAN an meinem Smartphone ausschalten, das wieder recht stumm wird dadurch, und auch das Surfen mit dem Laptop ist plötzlich gar nicht so einfach. Dafür bräuchte ich ein Kabel, das momentan nicht aufzufinden ist. Aber einen Tag kann man ja mal ohne Internet leben, nicht wahr? Lesend verziehe ich mich auf die Couch und finde den ersten Tag ohne Wi-Fi total cool, denn ich habe mehr Zeit für ganz andere Dinge. Die fehlt mir sonst manchmal.
 
Tag 2
Sehnsüchtig werfe ich einen Blick ins Büro und gehe dann doch daran vorbei ins Badezimmer. Einen Tag lang keine Mails abzurufen, das geht. Andererseits könnte da auch was Wichtiges auf mich warten … Nein, vor der Arbeit geht das sowieso nicht. Natürlich könnte ich einfach den PC meines Freundes benutzen, aber bis die alte Krücke hochgefahren ist, dauert es etwas länger, bis ich mich dann in jedes meiner Mailkonten eingeloggt habe, ist es sowieso zu spät, um die Mails auch noch zu lesen. Auf meinem Laptop habe ich ja Thunderbird und damit alles auf einen Blick. Aber das kann ich heute Abend auch nicht machen, nicht wahr?
Abends komme ich dann aber sehr spät nach Hause und will nur noch ins Bett. Wi-Fi fehlt mir nicht!
 
Tag 3
Keine E-Mails. Ich widerstehe dem Drang, in der Arbeit meine E-Mails abzurufen, da ist auch viel zu viel los, als dass ich das könnte. Außerdem mag ich mich nicht mühsam durch mein Smartphone tippen, bis ich endlich da bin, wo ich hinmöchte. Mein Smartphone, das ist ja auch ohne Wi-Fi und mein Volumen wird langsam knapp, es ist ja Ende des Monats.
Dummerweise vermisse ich auch Facebook, Twitter, Xing, schwarzesBayern. Das fehlende Wi-Fi macht mich sehr rar. Wenn ich nun etwas verpasse? Da muss ich doch abends endlich mal etwas unternehmen. Schließlich ist Freitag, da hab ich auch mehr Zeit, um mich darum zu kümmern.
Gesagt, getan. Zu Hause angekommen stelle ich die Wohnung nach einem zweiten LAN-Kabel auf den Kopf. Das muss ich dann irgendwie verbinden und dann muss … Es scheint zu funktionieren und ich bin wieder online. Ohne Wi-Fi, wer braucht auch so was? Die 1348 ungelesenen Mails werden nach uns nach abgearbeitet, nehme ich mir vor.
 
Tag 4
Ich bin ein Kabelsklave! Wie hat man das früher gemacht, als man noch nicht mobil war und noch nicht überall online gehen konnte? Saß man da immer auf seinem Hintern am gleichen Ort? Wie hab ich das ausgehalten? Nun ja, im Grunde kenne ich diese Zeiten noch ganz gut und eigentlich wäre das alles auch gar nicht so dramatisch, wenn ich es mir nicht viel lieber auf dem Sofa bequem machen und mit den Schlangen kuscheln würde. Einfach mal die Füße hochlegen und nebenbei surfen. Das LAN-Kabel ist für solche Scherze zu kurz und ich habe noch nicht herausgefunden, wie man die Dinge koppeln kann. Vermutlich gar nicht. Und nein, nur wegen einer Blogger Challenge, die ich Linksys zu verdanken habe, kaufe ich mir kein Zehnmeterkabel. Nein, nein, nein! Ich gehe ins Wohnzimmer und lese mein Buch aus.
 
Tag 5
Ich hab das Buch ausgelesen. Ich hab eMails abgerufen und meinen Status auf Facebook gepostet. Ich hab den halben Schreibtisch im Chaos versinken lassen, weil ich mein Laptop nehmen und damit in die Küche wandern wollte. Es ist ja nicht so, dass auf dem Ding Rezepte gespeichert wären, die ich unbedingt nachbacken wollte. Vielmehr möchte ich backen und dabei Unterhaltung. Musik! Eine DVD! Meinetwegen auch ein Stream von einer bescheuerten Castingshow, über die ich mich dann aufregen kann und die mich so aggressiv macht, dass irgendwann der Teig gegen den Bildschirm fliegt und …
Nein, das eigentliche Problem liegt woanders. Mein Freund legt eine Schallplatte mit hörbarer Musik auf, die ich zwar in der Küche höre, auf die ich nur im Augenblick überhaupt keine Lust habe.
Mittlerweile bin ich zu der Erkenntnis gelangt, dass Wi-Fi nicht im eigentlichen Sinne fehlt, aber dass mich gerade ein krasses Luxusproblem quält, über das sich Menschen mit echten Problem nur wundern können. Die Freiheit, überall online zu sein, an jedem Ort, der das Signal empfängt, auch wirklich schnell mal die Mails abrufen, den Status posten, die Zeitung lesen zu können. Denn ja, auch das Zeitunglesen wird für mich ohne Wi-Fi schwer, denn ich muss am Schreibtisch am Kabel hocken – was ich ja die ersten drei Tage vermieden habe. Mir fehlt also eigentlich gar nichts, ich könnte glücklich und zufrieden sein, mein Dasein fristen in einer Kabelwelt – bunt, mit roten, grünen, blauen, grauen und gelben LAN-Kabeln, die man nur in die Buchse mit der entsprechenden Farbe stecken darf (was passiert eigentlich, wenn man sich nicht dran hält? Wenn man anarchisch das blaue ins grüne steckt?), das zumindest suggerierte mir vor einigen Jahren die Anleitung zu Router und Co. eines deutschen Telefon- und Internetanbieters. Ich möchte pinke Kabel haben und silberne, die glitzern, natürlich auch ein fluoreszierendes, das im Schlafzimmer liegt, damit ich nachts nichts drüber falle.
 
Tag 6
Nein, ich schweife nicht vom Thema ab. Der Gedanke, Kabel zu bekleben, ist immer noch verlockend, aber glücklicherweise ruft meine Arbeit und ich bin abgelenkt. Vor allem aber bin ich von meinem Kindle abgelenkt. Der funktioniert mit Wi-Fi – und ich finde es irre umständlich, neue Bücher per Kabel auf den eBook-Reader zu laden.
Kabel. Sie verfolgen mich. Jeder zweite Satz beinhaltet mittlerweile dieses verhängnisvolle Wort, das mich rasend macht. Aber ich kann es nicht vermeiden, denn sie sind überall. Klar, es gibt die sogenannten Holzbücher, also richtige Bücher zum Aufschlagen, Eselsohren reinmachen und ins Regal stellen. So etwas besitze ich sogar noch, aber es ist blöd, wenn es das Buch, das man unbedingt lesen will, nur als elektronisches Exemplar gibt. Der Komfort und die unbegrenzte Verfügbarkeit von Literatur sind Dinge, die ich zu schätzen gelernt habe und auf die ich bestimmt nicht verzichten möchte, nur weil ich nicht mehr direkt beim Online-Buchhändler den neuen 700-Seiten-Schinken runterladen kann.
 
Tag 7
Ich muss mich dem Schicksal ergeben, auch wenn es hart ist. Es gibt kein WLAN und es gab nie eines. Das alles war nur Einbildung, ein Traum, eine fantastische Illusion, die mir die Zukunft vorausgesagt hat, ein pures Science Fiction-Abenteuer, ein Etwas aus Star Trek. „Beam me up, Scottie!“
Verdrossen sitze ich abends am Laptop am Schreibtisch und tippe missmutig einige Zeilen. Mir tut der Rücken ein bisschen weh und die Beine wollen auf die Couch! Wie gerne würde ich lesen, aber der Versuch, den neuen Thriller mit dem USB-Kabel auf meinen Kindle zu spielen, ist irgendwie fehlgeschlagen – und ich weiß nicht mal, warum. Natürlich könnte ich nun auch einfach ein Buch aus dem Regal ziehen und das verschlingen, sind ja genug da, die nur darauf warten, dass man über ihre Seiten streichelt und diese umblättert. Das Problem ist, dass ich das Holzbuch, das infrage käme, nicht in die Handtasche packen und somit nicht so gut in die S-Bahn mitnehmen kann – eine S-Bahn-Fahrt ohne Buch jedoch ist Folter. Ein anderes Buch, das passen würde und auch leicht genug wäre, interessiert mich im Augenblick nicht. Beim nächsten stört mich etwas anderes. An diesem Abend nehme ich trotzdem irgendwann ein Holzbuch in die Hand und beginne mit der Lektüre. Nein, ich kann mein Leben nicht von einer kabellosen Verbindung abhängig machen, die alles beeinflusst, wenn ich sie nicht zur Verfügung habe, und mich eigentlich mehr einschränkt als das Kabel, das mich an einen Ort bindet.
 
Tag 8
In Ruhe lese ich online meine Zeitung und schreibe zwischendurch drei E-Mails. Dann versuche ich mich noch einmal an meinem Kindle – und siehe da, mit etwas Geduld und vor allen den richtigen Klicks ist das eBook sehr schnell auf dem Reader und wartet nun darauf, dass ich Zeit für es habe. Das wird noch ein paar Tage dauern, aber es ist schon mal drauf. Endlich kann ich auch mein Laptop zumachen und mich auf die Couch legen, lesen, die Schlangen herumkriechen lassen, die es sich bald in meiner Kniebeuge bequem machen. Fehlt etwas? Nein, ganz und gar nicht.
 
Fazit: Meine Generation kennt sogar noch eine Zeit, in der es nicht mal Internet, Laptops, Smartphones und all diese Sachen gab. Auch kein Wi-Fi, das mich überall verfolgt hat. Trotzdem sind wir großgeworden und waren informiert, haben unsere Zeit rumgebracht und nichts vermisst. Nach einigen Tagen, die fast einem Entzug glichen, habe ich mich wieder umgestellt, zumindest auf eine Zeit, zu der es noch keinen kabellosen Internetzugang gab. Es geht genauso gut.
Die Challenge hat mir eines gezeigt: Nein, man braucht WLAN nicht unbedingt und kann genauso gut mit dem LAN-Kabel online gehen. Unbestritten gibt es Vorzüge, die der Bequemlichkeit gerade recht kommen, auf der anderen Seite teilt man sich aber seine Zeit ganz anders ein. Man starrt auch nicht mehr die ganze Zeit nur in den Kasten oder auf das Handy. Es gibt wieder ein reales Leben, das man anders strukturiert.
Die Wi-Fi-Famine-Challenge, die der Router-Anbieter Linksys gestartet hat, hat vor allem gezeigt, dass man schon drauf verzichten kann, überall problemlos vernetzt zu sein. Trotzdem mag ich auf diesen Komfort nur ungern verzichten. Manchmal muss es eben Wi-Fi sein!

 

 

Gewinnspiel: Was war euer bester /schlechtester Moment Dank Wi-Fi? – Schickt eure Geschichte bis 11. Dezember 2013 an kyra.cade@schwarzesbayern.de. Der Sieger gewinnt einen AC900 von Linksys im Wert von rund 119 €.
Es gelten die Gewinnspielregeln.

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