Der Weg ist nicht das Ziel

todesmarschDer Major veranstaltet jedes Jahr am 1. Mai einen Todesmarsch. Einhundert 17-jährige laufen los, um den Marsch zu gewinnen. Dabei dürfen sie nicht langsamer als vier Meilen pro Stunde sein – und nach der dritten Verwarnung wartet unweigerlich der Tod. Nur einer kann überleben, und dem Letzten wird nach dem Sieg alles zu Füßen gelegt …Richard Bachman ist ein Pseudonym von Horror-Großmeister Stephen King. Auch Todesmarsch gehört in eine Reihe von Büchern, die ohne Monster auskommen und einen eher subtilen Horror enthalten.Man verfolgt den Marsch aus der Perspektive von Garrity, der noch von seiner Mutter zurückgehalten werden soll, auch wenn es gar kein Entrinnen mehr gibt. Hat man sich einmal für den Marsch gemeldet, gibt es nur zwei Termine, zu denen man zurücktreten kann, und beide sind verstrichen. Zu Beginn sind es hundert Jungs, die ihr Leben noch vor sich haben und allesamt mit dem Sieg rechnen. Sie schließen Freundschaften und fühlen sich unbesiegbar. Vier Meilen in der Stunde und einfach so lange laufen, bis keiner der anderen mehr da ist. Danach winkt das Leben, Reichtum, vielleicht sogar Macht. Was könnte man nur alles mit dem Geld anstellen? Vermutlich die ganze Welt kaufen, so denken die Jungen und schreiten in das Abenteuer – aus dem sie nicht zurückkehren werden. Anfangs klingt alles noch einfach und wie ein Spiel. Der erste Tote wird zwar realisiert, aber man hofft noch, dass es nur eine Farce ist, dass die Soldaten, die den Zug begleiten, nicht mit echten Patronen auf total erschöpfte Kinder schießen, deren Leichen dann von der Straße gezogen werden. Aber man irrt. Die Soldaten sind genauso echt wie ihre Munition und einer nach dem anderen wird hingerichtet. Bei manchen geht es schnell, andere kämpfen noch, wissen, dass sie bald sterben werden, und versuchen, die Panzerfahrzeuge zu erklimmen und dem Horror ein Ende zu setzen. Nach dem ersten Tag hat die Gruppe aber noch nicht einmal ein Drittel der Teilnehmer verloren und der Protagonist fragt sich langsam, wann er an der Reihe sein wird. Mittlerweile hat er schon einen seiner Freunde vor dem sicheren Tod bewahrt und ist im Gegenzug selbst vor dem Mündungsfeuer der Maschinengewehre gerettet worden. Doch irgendwann muss man sterben, das wissen die Jungen nun und stampfen durch die Städte, die den Marsch mit viel Brimborium begrüßen, die Geher belustigt ansehen, anfeuern oder ausbuhen. Der Marsch ist zum Vergnügen des Volkes gedacht und der Major hat seine wahre Freude daran, einen nach dem anderen sterben zu sehen.
Garrity glaubt nicht an seinen Sieg und weiß nicht einmal, was er mit all dem Geld machen soll, das den Sieger erwartet. Allerdings weiß er auch überraschend wenig über den Marsch, wie die meisten der Mitläufer, weil sie es vermutlich auch einfach gar nicht wahrhaben wollen.

Die Geschichte fesselt und berührt. Man geht jeden einzelnen Schritt mit, merkt, wie das Atmen schwerer wird, wenn es Hügel hinauf geht, und möchte sich wegdrehen, wenn wieder einer der Jungen erschossen wird. Für die Soldaten sind es nur Nummern, aber für den Leser sind viele davon bald Menschen mit einem Namen und einer Geschichte, die ihr Leben auf dem Asphalt lassen müssen. Irgendwann meint man, die Schmerzen zu spüren, die Füße tun unglaublich weh, die Waden brennen, der Rücken ist verspannt.

Das Buch hat mich lange nicht mehr losgelassen und ich kann es nur empfehlen. Es ist Horror und Schrecken auf eine ganz natürliche Weise, ohne Monster, ohne einen psychopathischen Mörder – wenn man den Major mal außen vor lässt. Die Geschichte ist brutal und hat menschliche Momente, zeugt von Freundschaft und Kampfgeist und hat nur einen Sieger – und das ist nicht zwingend der letzte Überlebende der Geher …

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Richard Bachman – Todesmarsch
Heyne Verlag, Neuauflage 2013
Taschenbuch, 400 Seiten
8,99 €
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