Now, diabolical!

An diesem Sonntag feiern die Münchner Metaller den zweiten Advent mit einem ganz besonderen Lichtlein: Satyricon sind endlich wieder in der Stadt, und die Vorfreude auf dieses Ereignis war sicher nicht nur bei uns auf Schwarzes Bayern riesig. So verwundert es auch nicht, dass die Backstage Halle zu Beginn des Konzertabends um halb neun ausverkauft ist. Schön kuschlig ist es dann auch, der Weg zur Tränke oder zum eifrig frequentierten Merchandise-Stand gerät zur Geduldsprobe. Eine vielversprechende Kulisse also für die zwei Bands des Abends, gute Stimmung dürfte garantiert sein, und bei Nekrist und mir steigt die Spannung mit jeder Minute. 

chtonicUm halb neun etwa richten sich dann alle Augen auf die Bühne, als die Taiwanesen Chthonic wie gewohnt in leicht futuristischer Verkleidung hinter dichten Nebelschwaden erscheinen und sofort dermaßen losholzen, dass wirklich kein Auge trocken bleibt. Black Metal mit einigen symphonischen Einlagen (die Band wird oft als Dimmu-Borgir-Klon belächelt, aber ich höre davon nichts, dafür ist sie doch zu roh und wütend), gekeift-gebrülltem Gesang und viel, viel Energie. In Asien meint man es ernst, keine Frage. Die ersten zwei Lieder klingen noch etwas chaotisch, doch dann haben Band und Publikum sich eingegroovt, und vor allem die ersten Reihen quittieren die Bemühungen der seit 1995 aktiven Truppe mit stürmischem Beifall. Blickfang und Mittelpunkt des Bühnengeschehens ist neben Sänger Freddy Lim unzweifelhaft Bassistin Doris Yeh, ein zartes, bildhübsches kleines Persönchen, das mehr Black Metal ist als alle Pandas dieser Welt. Eine tolle Musikerin, die keine Sekunde still steht und damit ihre auch sehr agilen Bandkollegen noch in den Schatten stellt. Doch auch Sänger Freddy Lim sticht durch seine asiatische Gesichtsbemalung hervor sowie das traditionelle taiwanesische Instrument Erhu, eine Art Kniegeige, die er immer wieder spielt und die für sehr interessante Akzente sorgt. Überhaupt macht gerade ihr asiatischer Hintergrund Chthonic zu einer wirklich spannenden Band. Der letzte Song „Takao“ wartet zum Teil auch mit taiwanesischen Lyrics auf, was ihn zumindest für mich zu einem echten Ohrwurm macht.
Nach der Spielzeit von leider nur einer halben Stunde haben Chthonic bei mir einen sehr guten Eindruck hinterlassen, ich werde sicher noch öfter in die sieben Alben, die die Band bisher veröffentlicht hat, reinhören, vor allem das aktuelle Bú-Tik.

satyriconDanach heißt es wieder warten, warten, warten, Umbaupause und Soundcheck ziehen sich so lange hin, dass Chthonic auch gern noch drei Lieder mehr hätten spielen können. Doch dann ist es endlich soweit, Satyricon betreten einer nach dem anderen die Bühne, und der Jubel könnte nicht lauter sein. Satyr, Frost (der hinter seinen überdimensionalen Kesseln leider kaum zu sehen ist) und die vierköpfige Begleitband beherrschen das Geschehen von der ersten Sekunde an. Nach „Voice of Shadows“, dem Eröffnungstrack des aktuellen Albums Satyricon, blasen uns die Nordmänner gleich mal „Hvite krists død“ um die Ohren, den wunderbaren Hassbatzen aus der frühen Phase der Band. Die Halle tobt, Satyr hat das Publikum felsenfest in der Hand und thront immer wieder imposant hoch über der Menge aufragend auf einer der Monitorboxen am Bühnenrand. Gut schaut er aus, wieder langhaarig, durchtrainiert, ein souveräner Frontmann, dem heute alle aus der Hand fressen. Von früherer Arroganz ist wenig zu merken, im Gegenteil, mir kommt er recht entspannt und geradezu freundlich vor.

Nekrist fasst die Atmosphäre in der Halle ab dem ersten Moment äußerst treffend zusammen: Zu Beginn des Auftritts kündigt Satyr folgendes an: „Satyricon will do everything in its power to make this the best evening in 2013. But we need your energy to achieve that goal!” – Eine Ansage, wie man sie eigentlich von dieser Band nicht gewohnt ist. Und das Beste: Genau so wird es auch gemacht. Das Publikum tut, was immer Satyr sagt, singt mit, klatscht, reckt die Fäuste in die Höhe und fängt auf Zuruf einen Moshpit an, der sich sehen lassen kann. Die Stimmung in der Halle ist über die volle Distanz einfach phänomenal.

Es folgt „Now, diabolical“, das ausnahmslos die ganze Halle mitbrüllt, um sich beim darauffolgenden Groovemonster „Black Crow on a Tombstone“ den Nacken kaputtzubangen. Großartig, einfach großartig ist das bisher, und auch wenn es dann mit Liedern vom aktuellen Album ein klein wenig ruhiger wird, tut das der Stimmung kaum einen Abbruch. Die neuen Songs sind hochkomplex und eindringlich, knüppeln schon auch gut, doch man muss ein wenig intensiver zuhören – was in diesem Rahmen das Konzerterlebnis aber nur steigert. Satyricon können sich das erlauben und wirken immer noch eindringlicher und giftiger als viele andere Black-Metal-Bands. Emotional wird es dann bei „The Infinity of Time and Space“, das Satyr Dimebag Darrell widmet, dessen Todestag sich am heutigen 8. Dezember zum neunten Mal jährt.

Dieser Song ist ohnehin bemerkenswert und für Satyricon-Verhältnisse schon beinahe „Avantgarde“ – umso schöner, dass dieses herausragende Stück live wirklich gut zieht. (Da stimme ich Nekrist uneingeschränkt zu – ein wirklich brillanter, intensiver Titel, der unter die Haut geht.)

Schlag auf Schlag geht es weiter, bis schließlich das von allen ersehnte „Mother North“ angestimmt wird. Wie immer sind die Fans zur Stelle, das Gitarrenriff des Klassikers wird aus vollem Halse gesungen, Satyr auf der Bühne dirigiert. Ein Wahnsinnssong, immer noch, bei dem das Publikum alle Kräfte mobilisiert – die es dann gleich noch für die letzten zwei Titel des Abends, „Fuel for Hatred“ und „K.I.N.G.“ gebrauchen kann. Überall fliegen die Haare, Pommesgabeln zucken durch mein Sichtfeld, glückliche Gesichter um mich herum. Sagte ich schon, dass es einfach großartig ist?

Satyr hatte ja zu Beginn des Auftritts versprochen, dass er diesen Abend zu einem der besten unseres Konzertjahres 2013 machen würde. Und was soll man sagen? – Er und seine Mannen haben es geschafft. Es war ein grandioser Abend mit einer unglaublich tight und brachial aufspielenden Band, einem wie immer überirdischen Frost am Schlagzeug, vielen emotionalen Momenten, wenn sich die Band gerührt von den enthusiastischen Publikumsreaktionen immer wieder gesammelt vor der Menge verbeugt und Satyr erklärt, dass er das Touren eigentlich überhaupt nicht mag, aber genau diese Momente den ganzen Stress doppelt aufwiegen, und einer wirklich guten Vorband, die man hoffentlich öfter in Europa sehen wird.

Für mich einziger Wermutstropfen ist das Fehlen von „Phoenix“, des sicher ungewöhnlichsten Songs in der Karriere von Satyricon, den ich aber gerade deswegen und vor allem wegen der Stimme von Sivert Høyem, dem früheren Sänger der legendären Madrugada, so liebe und bei dem ich gespannt war, wie sie ihn wohl ohne Gastsänger auf die Bühne bringen würden. Gar nicht, wie sich herausstellt, aber das wird dann auch seine Gründe gehabt haben.
Egal, dieser Abend ist etwas Besonderes!

Nekrist: Ein Fazit, dem ich mich unbedingt anschließe! Satyricon haben mal wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass sie nach wie vor ein Publikum restlos begeistern können. Ich hatte eine längere Satyricon-Abstinenz hinter mir und kann definitiv sagen: Nochmal passiert mir das sicherlich nicht! Grandioses Konzert, grandioses Publikum, grandioser Frost, grandioser Satyr – All Hail!

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch:

1. Voice of Shadows
2. Hvite krists død
3. Now, diabolical
4. Black Crow on a Tombstone
5. Our World, it rumbles tonight
6. Ageless northern Spirit
7. Repined Bastard Nation
8. Walker upon the Wind
9. The Infinity of Time and Space
10. Forhekset
11. To the Mountains
12. The Pentagram burns

13. Mother North
14. Fuel for Hatred

15. K.I.N.G.

Text: torshammare + Nekrist

Bilder: torshammare

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