Orchestrales Grunzen

Ich muss gestehen, Tschechien existierte bisher auf meiner persönlichen Metal-Landkarte nicht. Umso neugieriger war ich auf Return to Innocence und ihr neues Album The Ring of Moon, das vierte der Bandgeschichte. Angekündigt werden sie als epische Doom-/Death-Metal-Band mit langjähriger Erfahrung – da kann doch eigentlich nichts schiefgehen. Oder? 

return-to-innocence-the-ring-of-moon-artworkDas orchestrale Intro „Streams II“ ist schön bedrohlich-erhaben und geht nach kurzer Zeit nahtlos in den ersten Song „Resigned World“ über, bei dem dann auch gleich gut losgeknüppelt und gegrunzt wird. Recht technischen Death Metal bekommen wir hier zu hören, mit einigen Keyboardteppichen unterlegt, aber noch nicht zu süßlich. Meine Nackenmuskeln wollen schon vorsichtig zucken, doch der Refrain lässt mich stirnrunzelnd innehalten. Hier wird es orchestral, mit Frauenchor und dazwischengekeifter Männerstimme – beim ersten Mal hören ein kaum durchschaubares Chaos. Hier wollte die Band definitiv zu viel. Schade, die rein deathigen Passagen sind überzeugend und angemessen brachial.
Mit „Tristan’s Dream“ geht es erhaben weiter, hier wird es etwas strukturierter, allerdings auch weniger brutal. Der Grunzgesang ist etwas schwachbrüstig, dafür passen die Keyboard-Passagen und weiblichen Stimmen besser zum Song, der weitestgehend im Midtempo gehalten ist.
„Blood related“ begrüßt den Hörer mit orientalischen Keyboard-/Orchestertönen, was mir recht gut gefällt. Leider setzt dann wieder das Chaos aus Growls, Frauenstimmen und zu viel Keyboard ein, der erhabene und wirklich gute Refrain kann da leider nicht alles retten. Insgesamt aber ein anhörbarer Song.
„Wasted Heart“ bietet wieder eine kleine Stiländerung, es wird wieder mehr geknüppelt, der Refrain ist allerdings sehr melodisch und flott, fast schon eingängig. Der Orchesteranteil ist hier stark zurückgefahren, was dem Song sehr guttut.
Episch wird es dagegen bei „(R)evolution“, das mit weitestgehend klarem, allerdings nicht besonders kräftigem Gesang aufwartet. Der Song klingt insgesamt eher nach klassischem Metal.
Orchester und weiblicher Gesang leiten „The Picture of Immortality“ ein, und der Track entwickelt sich zu etwas, das auch Nightwish zu Anette-Olzon-Zeiten hätten veröffentlichen können (wegen der Stimmähnlichkeit). Treibend, mit einem Wechselspiel aus weiblicher und männlicher Stimme, eingängigem Mittelteil und viel Orchester. Gut anhörbar.
Interessanter wird es zum Glück bei „Dark Dimensions“, das zwar auch sehr vielschichtig und latent überfrachtet aufgebaut ist, insgesamt aber besser ins Ohr geht, da es in sich geschlossener wirkt. Immer noch ein Monster aus orchestralen Einschlägen und Grunzgesang, doch mit guten Gitarrenlinien und dem gewissen Etwas.
Auch das letzte Stück, „The Ring of Moon“, kann noch mal zur Qualitätssteigerung der Platte beitragen. Trotz Orchester-Grunz-Mischung stimmt hier ebenfalls mehr – der Song ist eingängig, melodisch, aber nicht weichgespült. Bis auf den seltsam vielstimmigen Refrain ein guter Abschluss.

Fazit: „Epischer Doom/Death Metal“, wie im Infoblatt zur Band angekündigt, findet man auf The Ring of Moon leider gar nicht, zumindest nach meinem Genreverständnis nicht. Interessant könnte die Platte eher für Fans von Theatre of Tragedy, Crematory, After Forever oder Tristania werden, die vor der einen oder anderen härteren Passage keine Angst haben. Die Tschechen machen ihre Sache grundsätzlich nicht schlecht, vor allem etwas einfacher gehaltenere Songs zünden durchaus. Verwirrt hat mich die Vielfalt der männlichen Singstimmen (ob eine wandelbare Person dahintersteckt oder mehrere Bandmitglieder, erschloss sich mir leider nicht), das wirkte sehr uneinheitlich. Auch die Chorpassagen hätten für mein Ohr reiner und harmonischer klingen können. Das Orchestrale erdrückt die Songs leider auch oft (etwa bei „Resigned World“), auch wenn die Ansätze gut sind.
Auf den letzten Metern hatte ich dann allerdings doch noch etwas Spaß an dem Album. Schlecht ist es nicht, aber auch kein großer Wurf.

Anspieltipp: „Dark Dimensions“

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch2: :mosch2:

Return to InnocenceThe Ring of Moon
Label: MetalGate Records
Spielzeit: 40:27
Bandseite: http://www.return2innocence.cz/novinky.htm
Preis: 6,40 € im Webshop von MetalGate

Tracklist:
1. Streams II
2. The resigned World
3. Tristan’s Dream
4. Blood-related
5. Wasted Heart
6. (R)evolution
7. The Picture of Immortality
8. Dark Dimension
9. The Ring of Moon

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