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Faust, reloaded

finn-schwarze-traenenLukas Faust schlägt sich mehr schlecht als recht mit Zauberkunststücken und Trickbetrügereien durchs Leben, bis dieses eines Tages vollends aus den Fugen gerät. Eine Ex-Freundin entpuppt sich als Dämon, der ihm aus der Hölle auf den Hals gehetzt wurde – von keinem anderen als seinem berühmten Vorfahren Doktor Faust. Der schmort im Höllenfeuer und sucht einen Weg heraus, und dazu braucht er Lukas. Vorzugsweise tot. Noch dazu ist im Fegefeuer eine Rebellion gegen die Obrigkeit im Gange und kein Geringerer als Mephistopheles persönlich bittet nun Lukas um Hilfe, weil er auf der Erde und in der Gestalt eines Pudels feststeckt. Faust, der jüngere, findet sich plötzlich auf der Flucht vor Zauberern und Dämonen wieder und willigt gezwungenermaßen ein, dem Teufel zurück auf den Höllenthron zu helfen.
Begleitet von einem schwarzen, sprechenden Pudel, einem uralten Kabbalisten und einer Kräuterhexe mit wahrlich grünem Daumen, schickt er sich an, die Hölle wieder in Ordnung zu bringen und seine eigene Haut zu retten.

Fausts Geschichte, weitergesponnen bis ins 21. Jahrhundert – das klang ganz nach einem Buch für mich, und bereits auf den ersten Seiten begeisterte mich Thomas Finn mit seinem sprachlichen Feingefühl. Ausdruck und Wortwahl sind für jede handelnde Person charakteristisch und sehr überlegt, und spätestens, als da „sein Blick irrlichterte“ (S. 13), war’s um mich geschehen.
Lukas ist ein kleinkrimineller Herzensbrecher, doch schon früh bemerkt er die zwei Seelen (ach!) in seiner Brust, denn irgendwie ist er doch ein anständiger Kerl. Immerhin ist er trotz vieler Versuchungen stets standhaft, wenn Mephisto ihm mal wieder einen Höllenpakt aufschwatzen will. Wie auch in der klassischen Vorlage ist der Teufel derjenige, der etwas Witz in die ganze Sache bringt, und sein erster Auftritt ist einfach episch. Ein herrlich charmanter Mistkerl, ohne jegliche Manieren oder Schamgefühl, so richtig diabolisch – nur leider gefangen im Körper eines Pudels. So richtig lustig ist Schwarze Tränen zwar nicht, und auch nicht gedacht, aber viele kleine Auftritte von Mephisto lockern die Geschichte merklich auf.
Thomas Finn beweist sehr ausführliche Recherche und das Talent, alles Mögliche miteinander zu verbinden. Das Setting an sich bietet natürlich allerhand Teufelssagen an, die auch kräftig ausgenutzt werden, doch Finn greift noch weiter in den mitteleuropäischen Sagenschatz und macht auch vor „moderner“ Literatur wie Oscar Wildes Bildnis des Dorian Gray nicht halt. Dieses Konzept geht auch tatsächlich auf, denn so entsteht eine absolut stimmige Welt samt geschichtlichem und biblischem Hintergrund, perfekt eingebettet in die deutsche Historie. Für Fans von heimatlichen Sagen und Mythen ist Schwarze Tränen eine echte Fundgrube. Kinder-Fantasy ist es allerdings trotz der Märchenverweise nicht, denn oft geht es dafür viel zu dreckig und blutrünstig zu.
Lukas und seine Mitstreiter sind vor allem zu Beginn so gut wie ständig auf der Flucht, jagen oder werden gejagt, sodass auf keiner Seite Langeweile aufkommt. Die Geschichte ist rasant und verbirgt doch stets mehr vorm Leser, als sie nach und nach enthüllt. Bis zum Schluss wendet sich das Blatt ständig, doch schließlich führt alles zu einem klassischen, aber nicht minder epischen Ende. Den Schluss mag der eine oder andere vielleicht zu kitschig und vorhersehbar finden, ich bin aber der Meinung, dass manche Geschichten genau so enden müssen.

Schwarze Tränen ist ein Buch für Freunde des mitteleuropäischen Sagenschatzes, das die Geschichte um den berühmten Doktor Faust neu aufrollt und geschickt weiterspinnt. Es reißt mit, bleibt durchgehend spannend und bietet immer wieder kleine Überraschungen. Thomas Finn balanciert zwischen dem aberwitzigen Irrsinn eines Jonathan L. Howard und der Verknüpfung von Mythen, die Christoph Marzi zustande bringt, und ist dabei definitiv eine Empfehlung für Fans von beiden.

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Thomas Finn – Schwarze Tränen
Knaur Verlag, 544 Seiten
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