Eisblau, Gold, Rosa, Dunkelblau, Grau

 

butler-alice-wie-daniel-sie-sah_51409-2Diese Farben sind nicht zufällig ausgesucht, diese Zusammenstellung ist das, was Daniel in London sucht: seine Tochter Alice. Für ihn haben Buchstaben und zum Teil auch Worte ganz bestimmte Farben, und der Name Alice ist Eisblau, Gold, Rosa, Dunkelblau sowie Grau. Daniel lebt auf der Straße, sammelt Dinge, die andere Menschen verloren bzw. weggeworfen haben, und durfte lange vor diesem fast 60-jährigen Leben die innige Liebe zu einer verheirateten Frau kennenlernen. Nach dieser kurzen Beziehung ist die Suche nach der gemeinsamen Tochter alles, was ihn noch am Leben erhält.
Alice ist in einer Familie aufgewachsen, in der sie sich nie wirklich heimisch gefühlt hat. Ihre Mutter hat sie mit vier Jahren verloren, und ihre bereits fast drei Jahrzehnte dauernde Beziehung zu ihren Schwestern Cee und Tilly ist oft schwierig. Malcolm, ihr Vater, versuchte sein Möglichstes, aber da war immer eine Barriere. Alice flüchtet in die Welt, macht lange Reisen, lernt die Liebe kennen, aber auch hier gibt es keine endgültige Erfüllung bzw. Beruhigung. Erst der Tod ihres Vaters führt sie aus der Mongolei zurück nach London, in das alte Haus, das nun aufgelöst werden muss, zu alten Beziehungen und vielleicht zu Daniel.

Sarah Butler erzählt eine Geschichte, die Traurigkeit und Ungewissheit vermittelt. Alice versucht nach dem Verlust ihres Vaters eine Art Erinnerungsbewältigung, aber da gibt es so viele Unwägbarkeiten und offene Fragen. Dann tauchen kleine Geschenke am Hauseingang auf. Woher kommen diese? Für den Leser ist dies leicht nachzuverfolgen: Daniel hat seinen Weg zu Alice gefunden, und er war oft mit Zufällen verbunden. Aber jetzt gilt es vorsichtig vorzugehen. In dieser Phase erfährt man auch viel über Daniels Lebensgeschichte.
Diese leise, langsam voranschreitende Geschichte berührt. Die letzten 100 Seiten las ich in kürzester Zeit, da sich hier das gemeinsame Schicksal der zwei planlos umherziehenden Seelen abzeichnet.
Der Roman wird mitunter mit phantasievollen Worten ausgeschmückt. Interessant finde ich die jeweils den Kapiteln vorgesetzten Listen der zehn Dinge, die es für Alice und Daniel noch zu erledigen oder zu beachten gibt. Die Liebe zu London lässt die Autorin immer wieder aufblitzen, vor allem bei so manchen Wegbeschreibungen, wenn Daniel auf den Straßen der britischen Metropole unterwegs ist.

Bemängeln möchte ich einige Formulierungsfehler: Was bedeutet zum Beispiel „das Schnappen der Zeitung, die er gerade schlägt“ (Seite 38)? Hat vielleicht das Lektorat bei manchen Worten wie „drübergucken“ (Seite 7) einfach darüber hinweggesehen?
Solch eine melancholische Geschichte kann nicht die großen Höhepunkte haben, aber ich hätte mir doch ein eindringlicheres Finale gewünscht.
Insgesamt ist es ein gutes Buch mit kleinen Schwächen.

:buch:  :buch:  :buch:  :buch:  :buch2:

 

Sarah Butler: Alice, wie Daniel sie sah
Droemer-Knaur TB, 3. März 2014
320 Seiten
€ 14,99
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