„Es ist schön, für den Herrgott zu spielen!“
Oben stehendes Motto für den Ostersonntag 2014 lieferte niemand Geringeres als Tom G. Warrior, den ich wohl nicht extra vorstellen muss. Nach 2012 und 2013 fand dieses Jahr die dritte Auflage des Dark Easter Metal Meetings statt, und man hatte im Vergleich zu den Vorjahren noch einiges draufgelegt: Insgesamt 11 hochklassige Bands würden dem Metal-Volk alle österlichen Gedanken aus dem Hirn blasen, weshalb schon um 15.30 Uhr Wraithcult den Tag eröffneten und Negator als letzte Band um kurz nach Mitternacht das Ganze beschließen sollten. Dazwischen liegen über neun Stunden Konzerte, aufgeteilt auf Halle und Werk im Backstage, garniert mit zwei echten Schmankerln, Triptykon und Agrypnie – und alles lief wie am Schnürchen!
Eine Überraschung erlebten wir am Eingang, denn die Schlange war ordentlich lang. Zur Erinnerung: Es war gerade mal drei Uhr nachmittags! Dementsprechend voll war es bei dem Münchner Quartett Wraithcult, die bereits im Vorprogramm von Inquisition glänzen konnten. Die vier Herren spielen eine ziemlich groovige Version von Black Metal – weg vom Blastbeat-Einheitsbrei, hin zu einem etwas innovativeren Sound. Dabei verlieren Wraithcult in keiner Minute aus den Augen, was hier eigentlich gespielt wird: nach wie vor bösartiges Schwarzmetall, das beim Publikum in der Halle auch sehr gut ankommt. Wer nicht live dabei sein konnte, kann sich gerne auf dem eindrucksvollen Erstling Gestalt (2013) davon überzeugen – Review folgt! Eine Dreiviertelstunde lang gaben die Herren der Meute das, was wir verdienten, was dementsprechend abgefeiert wurde. Sehr zum Erstaunen der meisten Anwesenden fand, für Wraithcult-Verhältnisse jedenfalls, erstaunlich viel Interaktion mit dem Publikum statt.
Bereits nach der ersten Band trat dann sehr deutlich ein Manko an dem straffen Organisationsplan zutage, das mir zumindest immer wieder einige Probleme bereitete: Zwar gab es bei den Konzerten keine Überschneidungen, aber die Zeit zwischen den einzelnen Gigs reicht nicht einmal für eine Zigarette, geschweige denn etwas zu essen. Wollte man also seine Sucht befriedigen, musste man in Kauf nehmen, die ersten Songs der jeweils nächsten Band zu verpassen – eine Tendenz, die sich bereits letztes Jahr zeigte (und da waren von unserer Seite aus nur Nichtraucher am Start! Der Beweis: Unser Review vom letzten Jahr.
Spätfrost Ende April: Eïs
Als Nächstes standen die Bielefelder Eïs auf dem Programm (die eigentlich auch mal wieder eine neue Platte auf den Mark werfen könnten; Wetterkreuz ist immerhin schon zwei Jahre alt!). Stilistisch bewegt man sich hier im Melodic Black Metal, zumindest im weitesten Sinne, denn Eïs in eine Schublade zu stecken ist schwer. Umso mehr habe ich mich auf den Auftritt dieser Band gefreut, denn aufgehorcht habe ich bei den Herren Alboîn (Bass und Gesang) und Marlek (Drums), die live von zwei Gitarristen und einem Keyboarder unterstützt werden, bereits bei ihrem 2011er Album Kainsmal. Der Sound ist grundsätzlich sehr atmosphärisch und melodisch, vergisst dabei aber auch nie, dass es so etwas wie Doublebass gibt. Was mir persönlich ja immer sehr viel Spaß macht, sind deutsche Lyrics, und hier können Eïs ebenfalls überzeugen – „Mann aus Stein“ etwa oder „Winters Schwingenschlag“ sowie „Durch lichtlose Tiefen“ sprechen hier eine deutliche Sprache. Einziger Minuspunkt war das etwas störende Tageslicht, das sich durch die Oberlichter im Werk vorsichtig seinen Weg hinabgesucht hat – aber man kann halt nicht alles haben. Mir jedenfalls hat die Stunde Eïs im Frühling ziemlich gut gefallen, Licht hin oder her!
Was dann etwas irritierte, war der zügige Exodus der Fans nach dem Konzert, denn es war mitnichten zu Ende: Eïs, die bekanntlich aus der Formation Geïst hervorgegangen sind, aus rechtlichen Gründen jedoch ihren Namen ändern mussten, sind mehr oder weniger identisch mit Eismalsott, sozusagen der Vorgänger-Band von Geïst (wer jetzt nicht mehr durchblickt, male sich am besten einen Stammbaum!). Eismalsott erwies sich auch nach dem Tod 2004 noch als erstaunlich langlebig, deswegen erscheint nun, zehn Jahre nach der ersten EP Best Before: Spring EP Nummer zwei, Weißblendung – Grund genug für Eïs, nach einer kleinen Pause noch einmal gut zwanzig Minuten lang feinsten Black Metal zum Besten zu geben – was leider nur von einer verschwindend geringen Zuschauerzahl honoriert wurde. Jedem, der sich lieber einen Burger reingepfiffen als sich dieses Filetstück hat schmecken lassen: selbst Schuld!
Gas gaben anschließend Mor Dagor in der Halle, und das ganze vierzig Minuten lang. Die Herren haben bereits 18 Jahre Musik- und Bühnenerfahrung auf dem Buckel, einziges noch aus Gründertagen in der Band verbliebenes Mitglied ist Drummer Torturer, dessen Geknüppel die Musik Mor Dagors stilistisch wesentlich beeinflusst (und den man auch bei Betlehem bewundern kann). Alles erinnert ein wenig an Marduk, was ich per se ja schon sehr schön finde, inklusive brennender Machete und Schreckschusspistole, von der Bühne aus gen Himmel abgefeuert – es ist ja schließlich Ostersonntag. Auf die Ohren gibt es feinste War-Black-Metal-Hausmannskost mit wenig Überraschungen, aber alles mit viel Tempo und Verve gespielt. Für meine Ohren absolut zauberhaft klingt der Gesang Schmieds: Angemessen tief und dreckig gurgelnd. Auch dem Gitarrist Lykanthrop bei der Arbeit zuzusehen machte richtig Laune, und nach rund vierzig Minuten Metal im Eiltempo sind Hals, Nase, Ohren und Nebenhöhlen freigeblasen – so muss das sein!
„Eine Fäulnis befällt die Betonwüste und frisst sich fest in ihrer Tiefe.“
Fäulnis, die im Anschluss im Werk auftraten, waren für meinen Geschmack dann eher durchwachsen: Musikalisch (und lyrisch) nicht uninteressant, störte mich vor allem der Gesang des Herrn Seuche, mit dem ich persönlich nicht recht warm werden konnte (ob es daran lag, dass sich die Seuche gesundheitlich nicht auf dem Höhepunkt befand? Keine Ahnung, aber ich riskiere ganz sicher ein Ohr bei Fäulnis!). Allerdings stand ich mit dieser Meinung allein auf weiter Flur, denn das Publikum feierte die Fäulnis ordentlich ab, vor allem der Gassenhauer „Landgang“ wurde zum Ende hin begeistert mitgegrölt. Zusammen mit den Kollegen von Eïs sind Fäulnis derzeit auf Tour, um das aktuelle Album Snuff || Hiroshima zu promoten (Tourdaten findet ihr hier – ein Besuch ist dringend zu empfehlen!). Und wie die Kollegen hatten Fäulnis für ihre Fans noch ein Leckerli parat in Form von Letharg, ihrer EP von 2005. Trotz meiner persönlichen Probleme mit der Fäulnis-Musik lieferten die Herren auf der Bühne einen depressiv-düsteren Gig ab, der alle, die noch aufgepeitscht von Mor Dagor waren, wieder auf den tristen Boden der grauen Realität zurückholte.
Auf das tschechische Black-Metal-Urgestein Root habe ich mich tierisch gefreut, immerhin sind sie für mich musikalisch alte Bekannte, die ich allerdings noch nie live gesehen habe. Gut, man könnte sagen: Root spielen auch nicht live, aber hin und wieder lassen sie sich dazu herab, mit ihren Jüngern eine schwarze Messe zu zelebrieren. Und genau das taten sie auch eine Stunde lang an diesem Abend. Gegründet 1987 ist es vor allem Sänger Big Boss, der für jede Menge Dunkelheit sorgt. Dabei gibt es kein Gekreische, sondern einen fast schon opernhaft anmutenden Gesang zu stimmungsvoller, doomiger Musik, die ganz klar zeigt, woher die Band ihre musikalischen Vorbilder hat (ich sag nur: Bathory!). „Remember me!“ von meinem Lieblingsalbum The Book rundete diesen für mich vollkommen gelungenen Auftritt ab – danke, Root!
Noch eine Ecke doomiger wurde es bei Ruins of Beverast, die anschließend im Werk zu sehen und hören waren. Das 2003 von Alexander von Meilenwald gegründete Ein-Mann-Projekt aus Aachen, das letztes Jahr Henricus Institoris, den Verfasser des berühmten Hexenhammers, musikalisch verewigt hat. Das allein sollte als Hinweis eigentlich schon reichen, um zu erkennen, woher hier der Wind weht. Mir jedenfalls wehte er zu kalt – konnte ich vorher aufgrund der exzellenten Bands keine Stärkung zu mir nehmen, war es jetzt allerhöchste Zeit!
Dafür war ich, torshammare, die meiste Zeit bei Ruins of Beverast, auf die ich sehr gespannt war. Live konnten sie mich voll überzeugen, ich mag progressiv-psychedelische Soundteppiche, die auch gern mal langsam und tonnenschwer sein dürfen, und genau das bekam ich auch. Augen zu, den Kopf langsam mitschwingen lassen und genießen, war hier das Motto. Um mich herum bot sich dasselbe Bild – stilles Genießen während, jedoch begeisterter Applaus nach den Songs. Leider war der Musik entsprechend die Bühnenshow extrem sparsam, anderseits konnte man sich so auch besser auf die Klangwände konzentrieren.
Zurück zu meiner Sichtweise: Thulcandra waren dann die erste Band an diesem Tag, von denen ich mit Fug und Recht behaupten kann, dass ich sie nicht gesehen habe. Versteht mich nicht falsch: Ich war pünktlich um zwanzig vor neun in der Halle, es waren auch Menschen auf der Bühne, und ich hörte auch den unverwechselbaren Thulcandra-Sound – doch aufgrund starken Bodennebels war es mir nicht möglich, die Band auszumachen. Gut, die eine Hälfte hatte ich ja schon bei Wraithcult gesehen, Sänger Steffen stand so weit vorne, dass auch er minutenweise klar zu erkennen war, und dass der Drummer anwesend war, hörte man … Letzterer ist neu eingestiegen, was man stellenweise auch hören konnte, denn hin und wieder holperte es noch ein wenig. Ist aber alles nicht weiter tragisch, die Fans verziehen den Münchnern alles an diesem Abend, zumal ein neues Album für Anfang 2015 angekündigt wurde. Wir sind gespannt!
„Ausziehen kostet extra!“
Torsten „der Unhold“ Hirsch gehört zu den Menschen, denen ich einfach gerne beim Schreien zusehe. Oder bei was auch immer er gerade auf der Bühne tut (Faust nach oben recken, Gitarre spielen, Haare schütteln …). Abgesehen von diesem eher optischen Faktor verfügt der Mann aus Mainz über eine sehr ansprechende Singstimme und mit Agrypnie über eine hochinteressante Band. Dementsprechend gefreut habe ich mich auf das Quintett, das pünktlich um halb zehn auf der Bühne im Werk loslegte und anschließend das Publikum 50 Minuten lang mit unvergleichlichen Songs wie „Zorn“ (vom 2010er Album 16[485], den gab es ganz zum Schluss) gekonnt am Siedepunkt hielt. Nach Root sorgten die Herren für den zweiten absoluten Höhepunkt des Tages, komplett mit Zigarette danach. Agrypnies Musik als „melodischen Black Metal mit deutschen Texten“ zu bezeichnen ist in etwa so, als würde man einen 59er Cadillac Eldorado ein „ziemlich großes amerikanisches Auto“ nennen, denn Agrypnie schaffen ein gewisses „Mehr“ hinter der Musik, auf das man sich einlassen muss. Und wie das immer so ist bei derartigen Bands, wünscht man sich bei Live-Auftritten, dass man ihnen wesentlich mehr Zeit gegeben hätte, dass sie wesentlich mehr spielen würden, und dass die Halle am besten komplett leer und still wäre … Black Metal ist, wie andernorts gesagt, immer auch ein Solipsismus, und das trifft auf eine Band wie Agrypnie in besonderem Maße zu. Ich für meinen Teil bedanke mich für ein absolut grandioses Konzert und hoffe auf baldiges Wiedersehen, sei es mit Agrypnie oder Nocte Obducta!
Vollkommen geflashed und tief begeistert ging es im Anschluss zu Sear Bliss aus Ungarn, die mir, ehrlich gesagt, überhaupt nichts sagten. Vorsichtige Erkundigungen brachten ans Licht: Es handele sich um „Black Metal mit Posaune“. Ja, wirklich. Und so klingt es dann auch: Man erwartet ein Gitarrensolo und bekommt … eine Posaune. Nicht uninteressant die Mischung, allerdings muss man sich wirklich darauf einstellen können und ein bisschen Mut zum Absonderlichen haben, denn der Sound ist definitiv gewöhnungsbedürftig (und kommt, meiner Meinung nach, auf Platte wesentlich besser rüber als auf der Bühne). Diesen Mut bewiesen eine ganze Menge Leute, denn Sear Bliss lockte die von Agrypnie ausgelaugte Meute in die Halle und legten knapp eine Stunde lang ordentlich vor.
Fueled By Hatred: Triptykon
Und zwar so ordentlich, dass sich wohl einige Besucher erst einmal ausruhen mussten, statt sich die überragenden Triptykon in voller Härte zu geben. Sehr zu meinem Erstaunen füllte sich das Werk gerade mal zu zwei Dritteln – da hatte ich eindeutig mehr erwartet! Triptykon jedenfalls hatten sicherlich nichts am Publikum auszusetzten, das seine Legende Tom G. Fischer amtlich abfeierte und nach mehr verlangte, wo es nur konnte. Das wurde auch geliefert, neben „Three of Suffocating Souls“ besonders erwähnenswert ist dabei das Hellhammer-Cover „Messiah“ – nicht nur, weil der Song thematisch hervorragend passte, sondern auch noch seinen 30. Geburtstag feierte. Nebenbei bemerkt ist es immer wieder schön, alte Klassiker von Hellhammer und Celtic Frost (wie auch „Visions of Mortality“, das ebenfalls an diesem Abend gegeben wurde) zu hören – Oldies mag eben jeder. Unterstützt wird Herr Warrior auf der Bühne von Victor (bestens bekannt unter anderem von Dark Fortress) an der Gitarre, Bassistin Vanja und Drummer Norman – alles mehr oder weniger junge Musiker, die auf der Bühne weniger abgeklärt daherkommen wie el Cheffe. Dieser jedenfalls stand im absoluten Zentrum der Aufmerksamkeit seiner Fans, die er sich in den 60 Minuten Spielzeit auch redlich verdient hat. Die drei Musiker kreisen um den Warrior wie Planeten um eine dunkle Sonne, und das Ergebnis ist ein so dermaßen dichter Sound, dass er wie eine Wand auf einen zukommt. Alles, was man da noch machen kann, ist mit offenem Mund staunen über eine Live-Band vom anderen Stern. Das ganze Konzert war so fett, dass man eigentlich „phät“ schreiben müsste, und hinterließ eine ganze Reihe glückselig schwankender Figuren auf weichen Knien und mit zerzausten Haaren. Tom G. weiß doch ziemlich genau, wie der Osterhase läuft, und für mich ist er auch auf der Bühne wirklich „echt“: Der hasst tatsächlich mit dieser Intensität, und ich glaube es ihm jede Sekunde.
Als schwarzmetallischen Absacker bekamen diejenigen unter uns, die sich nach achteinhalb Stunden Black Metal vom Feinsten noch auf den Beinen halten konnten, Negator vorgesetzt. Die Hamburger hatten es nicht leicht nach allem, was Triptykon dem Publikum zuvor um die Ohren geblasen hatten, machten sich aber extrem gut und brachten die ziemlich müde Meute nochmal ordentlich in Schwung („Wir spielen jetzt mal was Schnelles!“). Dass die Herren um Sänger Nachtgarm das allerdings sehr gut drauf haben, davon kann man sich gerne überzeugen: Das letzte Album Gates to the Pantheon aus dem Jahre 2013 sollte in keiner gut sortierten Plattensammlung fehlen, und vor allem die Bühnenpräsenz des Herrn Nachtgarm ist absolut bemerkenswert. Ich jedenfalls musste die Location vorzeitig verlassen – zu viele geniale Bands, zu starke Rückenschmerzen … Ja, ich weiß, alles nur Gejammer, aber ich war in der Tat fix und alle von einem großartigen Konzerttag!
Alles in allem gibt es von meiner Seite ein fettes Lob ans Backstage und die Veranstalter für einen absolut gelungenen Abend, an dem alles reibungslos geklappt hat. Keine Pannen, keine Verspätungen – alles vom Feinsten! Und die Musik erst …! Wir sehen uns nächstes Jahr, ich bin gespannt auf das Line-up!
torshammare: Ich fand’s auch unglaublich gut, die Mischung der auftretenden Bands war hervorragend und hat alle Spielarten des Black Metal abgedeckt. Chapeau für die Organisationsleistung und die Leidenschaft, die hinter so einem Festival steckt! Als Fotograf hätte ich für das nächste Jahr allerdings eine inständige Bitte: Besseres Licht!
(Ja, sechs von fünf, so gut war das!)
Setlist Triptykon:
Visions of Mortality (Celtic Frost cover)
Goetia
Circle of the Tyrants (Celtic Frost cover)
Tree Of Suffocating Souls
Altar of Deceit
Messiah (Hellhammer cover)
The Prolonging
Fotos: The Doc (klick mich, ich bin ein Link)
weitere Bilder von torshammare:
(21156)