Aus dem Leben einer Ente

So manch einer mag den Kopf geschüttelt haben, als vor zwei Jahren Gerüchte laut wurden, Nightwish-Mastermind Tuomas Holopainen schreibe an einem Soloalbum über Dagobert Duck. Interessierte Fans wissen vielleicht von seiner Leidenschaft für Disney, das Lustige Taschenbuch und besonders den epischen Comic The Life and Times of Scrooge McDuck (auf deutsch erschienen als Onkel Dagobert – Sein Leben, seine Milliarden) von Don Rosa.

So sollte es denn sein: der Finne mit dem Hang zu melancholischem Symphonic Metal zog sich zurück, schrieb einen Soundtrack über das Leben der reichsten Ente der Welt und nahm ihn mit dem London Philharmonic Orchestra auf.

Wir begleiten den jungen Scrooge (in der deutschen Version Dagobert) aus seiner schottischen Heimat in die weite Welt, um ihm zuzusehen, wie er den Grundstein für sein legendäres Vermögen legt.

Das Album beginnt mit keltischen Klängen, Whistle, Uilleann Pipes und sanftem Gesang auf Gälisch, während Scrooge (gesprochen von Alan Reid) uns in die Geschichte einführt: „Glasgow 1877“ – der erste Track des Albums. Schnell wird klar: wer hier auf harte Gitarrenriffs und treibende Drumsounds wartet, der wird lange warten. Zärtliche Streicherthemen wechseln sich mit bombastischem Orchestersound ab und führen den Hörer durch die wilde Schönheit der schottischen Highlands.

Mit einem verträumten Klavierthema verlassen wir schließlich die Alte Welt, lassen uns von „Into the West“ in den Wilden Westen entführen und betreten das musikalische Terrain von Ennio Morricone. Wer genau zuhört kann hinter dem treibenden Rhythmus und dem Klimpern des Banjos sogar das eine oder andere Zitat des Großmeisters der Wild West Music heraushören.

Track Nummer drei, „Duel and Cloudscapes“ beginnt düster und etwas bedrohlich, nimmt aber bald die Züge einer etwas absurden Comedy-Einlage an, die natürlich in einem Dagobert Duck Comic nicht fehlen darf. Man hört zwar heraus, dass lustige Musik nicht gerade ein Spezialgebiet von Holopainen ist, dennoch überzeugt dieses Stück durch seinen Abwechslungsreichtum.

Der Sound eines Didgeridoos lässt wenig Raum für Vermutungen: das nächste Stück führt uns nach Australien. „Dreamtime“ ist repetitiv, aber keine Sekunde langweilig. Man spürt förmlich die Hitze des Outbacks, während man mühsam einen Fuß vor den anderen setzt und sich durch den Staub voranschleppt.

Die Reise geht weiter nach Alaska und zu einem namenhaften Gastsänger: in „Cold Heart of the Klondike“ ist Tony Kakko zu hören, Leadsänger von Sonata Arctica. Als eines der wenigen liedhaften Strophe-Refrain-Stücke des Albums ist es eingängiger als seine Vorgänger, aber nicht minder interessant.

„The last Sled” beginnt mit der angenehmen Stimme von Alan Reid. Seine gesprochenen Passagen werden gesanglich wiederholt, und hier ist mein einziger Kritikpunkt am Album: die Melodie passt nicht zum Text, sodass die erste Strophe irgendwie plump wirkt. Doch im Refrain wird dieser Ausrutscher sofort wieder gut gemacht, und „The last Sled“ entwickelt sich zu einem großartigen, gefühlvollen und epischen Höhepunkt.

Mit einem verträumten Klavierintro beginnt das ergreifende „Goodbye, Papa“ und verbindet im weiteren Verlauf musikalische Lebensfreude mit dem Abschiednehmen.

Es geht melancholisch weiter – „To be rich“ beschreibt mit wehklagendem Gesang die Einsamkeit des nun reichen Scrooge. Schöne Erinnerungen perlen durchs Bewusstsein, begleitet von einem schweren Streicherteppich. Ein kurzes, aber ergreifendes Stück.

Der Titel des nächsten Stücks, „A Lifetime of Adventure“ verrät, dass wir uns dem Ende nähern. Es ist ein musikalisches Resümee über das bewegte Leben des Scrooge McDuck, und das einzige wirkliche „Lied“ auf dem Album. Wohl auch wegen seiner Eingängigkeit erschien es im Februar als Single.

Mit „Go slowly now, Sands of Time“ schließt die Geschichte wunderbar ruhig und etwas melancholisch ab. Alan Reid besingt, was Scrooge wohl an seinem Lebensabend durch den Kopf gehen mag, begleitet von einem sanften Gitarrenduett.

The Life and Times of Scrooge ist ein grandioses, orchestrales Album, in dem man sich stundenlang verlieren kann. Man muss die Geschichte nicht zwingend kennen, denn Holopainen versteht es prächtig, Stimmungen zu erzeugen und mit Klängen Bilder zu malen. Gerade für Fans der orchesterlastigeren Stücke von Nightwish ist dieses Album eine Empfehlung. Wer aber den Sound einer Metalband erwartet, sollte die Finger davon lassen. Holopainen hat in diesem Soloalbum etwas verwirklicht, das mit Nightwish so nie möglich gewesen wäre. Er hat beispiellos demonstriert, dass er sich von den Songschreibern des Genres deutlich abhebt und vielmehr die Bezeichnung „Komponist“ verdient.

Für mich ist The Life and Times of Scrooge das Album des Jahres und wird mit Sicherheit noch eine Weile in Dauerschleife durch mein Zimmer schallen.

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch:

Anspieltipps: A Lifetime of Adventure, The last Sled, Duel and Cloudscapes


1. Glasgow 1877
2. Into the West
3. Duel and Cloudscapes
4. Dreamtime
5. Cold Heart of the Klondike
6. The last Sled
7. Goodbye, Papa
8. To be rich
9. A Lifetime of Adventure
10. Go slowly now, Sands of Time

Tuomas Holopainen – The Life and Times of Scrooge, 2014

Nuclear Blast, 14,99€
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Tuomas Holopainen

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